Gemeinhin gilt ja, dass man die Neuzeit als eine Zeit der "objektiven Sicht" versteht und entsprechend auch fortwährend porträtiert. Aber was heißt das schon? "Objektiv" heißt ja zunächst schlicht: an den Objekten orientiert. Schauen wir aber auf die Astrologie und deren Geschichte, dann stellt sich das ganz anders, zum Teil in umgekehrter Weise dar. Die antike Astrologie - gemeint ist vor allem die hellenistische - ist weit "objektiver" insofern, als sie das Subjekt, und das heißt den Nativen zurücknimmt. Diesem wird zugewiesen primär - oder gar ausschließlich - der Raum des ACs. Das hat sich im Kern auch in der indischen Astrologie erhalten die ja, wie man inzwischen weiß, mit der hellenistsischen Astrologie in Berührung kam. Der AC - das ist der Native - das andere ist der Umraum, "die Welt"- und zwar NICHT primär so wie ich sie begreife, seelisch empfinde, sondern so, wie sie mir "objektiv" entgegentritt. D.h. die anderen Häuser sind nicht quasi eine Ausfächerung des Ichs und seiner subjektiven Erfahrungen und Empfindungen. Die neuzeitliche Astrologie - das setzt ein ansatzweise mit der Renaissance, setzt sich dann vollends erst durch im XX.Jahrhundert, sieht das Horoskop als eine Art Erfahrungslandkarte des Ichs. Das Horoskop als Ich-Ausweitung, als Ausweitung des Ich-Bewusstseins, eine Art "mentale Landkarte".. So gesehen ist die Astrologie der Gegenwart weitgehend subjektivistisch - neuzeitlich insofern, als sie die Absolutierung des Individuums spiegelt.
Das hat durchaus konkrete Folgen - ich kam übrigens näher ans Thema durch die Lektüre von Artikeln von B.Dykes. Ganz simples Beispiel: Da hat jemand einen Saturn im 11. Haus - "Haus der Freunde". Ein antiker Astrologe - oder eben ein gegenwärtiger, welcher der Antike stärker verbunden ist - würde sagen: "Deine Freunde sind Verkörperungen des Saturns - in ihrem Verhalten, Denken, Erscheinungsbild..." Ein "neuzeitlicher" stellt dieses elfte Haus mitsamt Saturn dort in den Raum der Subjektivität des Nativen: "Deine Beziehungen zu den Freunden ist für dich eine saturnisch geprägte." Das sind erkennbar deutlich verschiedene Aussagen. Im zweiten Fall mögen die Freunde gänzlich "unsaturnisch" geprägt sein, sie können aber dem Nativen desungeachtet saturnische Erfahrungen, Begrenzungen etc. erbringen. Das ist eines von etlichen denkbaren Beispielen. Analog: Was heißt es, eine Venus im siebten Haus zu haben? Man merkt, dass man mit der Antwort ein wenig zögert, hält man sich die knapp beschriebenen Positionen vor Auge.
Dabei geht es hier nicht gleich um die Frage, wer da recht hat - es geht darum, sich erst einmal dieses grundlegenden Unterschiedes bewusst zu werden. Wäre doch mal interessant, dem näher nachzugehen.
Klingt sehr interessant. Stell doch mal ein Horoskop rein, etwas jedem bekanntes, van Gogh, Picasso oder Nietzsche, dann deuten wir mal subjektiv und objektiv. Finde ich spannend. Sepp
Zitat von Klaus im Beitrag #1Aber was heißt das schon? "Objektiv" ...
Ich mag es, den Begriff 'Realität' oder Abwandlungen zu verwenden, also das Ding zwischen Optimismus und Pessimismus, zwischen Miesmacherei und Schönrederei.
Zitat von Klaus im Beitrag #1Ganz simples Beispiel: Da hat jemand einen Saturn im 11. Haus - "Haus der Freunde". Ein antiker Astrologe - oder eben ein gegenwärtiger, welcher der Antike stärker verbunden ist - würde sagen: "Deine Freunde sind Verkörperungen des Saturns - in ihrem Verhalten, Denken, Erscheinungsbild..."
Zitat von Klaus im Beitrag #1Ein "neuzeitlicher" stellt dieses elfte Haus mitsamt Saturn dort in den Raum der Subjektivität des Nativen: "Deine Beziehungen zu den Freunden ist für dich eine saturnisch geprägte." Das sind erkennbar deutlich verschiedene Aussagen. Im zweiten Fall mögen die Freunde gänzlich "unsaturnisch" geprägt sein, sie können aber dem Nativen desungeachtet saturnische Erfahrungen, Begrenzungen etc. erbringen.
Also, ich weiß nicht; das würde ja bedeuten, ich wäre ein 'antiker' Astrologe, und gleichzeitig ein 'neuzeitlicher' Astrologe. Ich denke, ich mag das nicht trennen. Ich würde auch eher sagen, um bei diesem Beispiel zu bleiben, Freundschaften gestalten sich problematisch, schwierig etc; es kann sein, daß Freunde saturnisch geprägt sind, aber es muß nicht so sein. Ich würde bei dem Thema Freunde dann auch schnell auf ein anderes Haus schwenken:
Zitat von Klaus im Beitrag #1Analog: Was heißt es, eine Venus im siebten Haus zu haben?
Das ist ein viel besseres Beispiel. Im 7.Haus sehe ich, mit welchen Menschentypen - generell, also nicht nur Freundschaften - der Native es zu tun hat im Leben - eine Venus im 7.Haus kann ja ziemlich übel sein - und wie der Native andere Menschen erlebt. Vielleicht ist es einfach auch nicht astrologisch statthaft für jemanden wie mich, Objekt und Subjekt auseinanderzuhalten; es gibt immer eine Interaktion.
Ein anderes Thema - oder eigentlich dasselbe - ist, die Dinge nicht isoliert zu betrachten, sondern ganzheitlich. Für jemand saturnisches oder sonstwie stark geerdetes wäre ein Saturn im Haus der Freunde sicher kein Thema, es gibt keine großen Differenzen, für jemand stark belüftetes oder befeuertes wäre so eine Saturn Position schon eher ein Knackpunkt.
Hallo Jan Martin. ich habe ganz bewusst den heute so verwaschenen Begriff der "Realität" vermieden und den sehr konkreten - "dinglichen" Begriff der Objektivität vorgezogen. Das meint nun nicht den Begriff wie er medial inflationär entwertet wurde, sondern den phänomenologischen Aspekt.
Das Beispiel mit dem Saturn im 11. Haus ist m.E. schon ein recht zwingendes - aber natürlich kann man das mit der Venus in 7 vorziehen. Was aber heißt das dann? Ich wette, da rutscht so mancher in die Falle und sieht dann eine Art Garant aufs Liebesglück. Natürlich wird das dann nicht so platt ausgedrückt - aber seien wir ehrlich: das ist dann im Kern das was dann in der Vorstellung erscheint. Nun - folgen wir den obigen Überlegungen, dann kann das schlicht heißen: da begegnet mir Schönes - meinethalben heißt das auch: da begegnen mir schöne Gestalten - aber das ist keinerlei Garantie für das was man Liebesglück nennen kann. Das mag sich nun simpel anhören - aber in diese Falle tappen nicht nur Anfänger. Grüße, Klaus
Zitat von Klaus im Beitrag #4Das Beispiel mit dem Saturn im 11. Haus ist m.E. schon ein recht zwingendes - aber natürlich kann man das mit der Venus in 7 vorziehen ... Das mag sich nun simpel anhören - aber in diese Falle tappen nicht nur Anfänger.
Ich verstehe vollständig, was Du meinst! Die Venus ist eben reichlich profan, und so oft auch der Umgang mit ihr.
Also - hierin Sepp folgend und Jan Martin desgleichen: a) Beispiel b) Venus in VII.
Das ist Robert Schumann. Venus in VII, dem vorausgehend Merkur. MER - VE. Aber MER rückläufig.
Die "neuzeitliche " Sicht: Merkur am DC - der tritt der Öffentlichkeit "medial" entgegen. - Was ja auch seine Richtigkeit hat - denn Schumann hat munter publiziert, zeitweise mehr als komponiert. Die andere- "hellenistsiche" - Sicht: Clara Schumann - Ehefrau. Europaweit gefeierte Pianistin - damals - eine Frau! - selten. Merkur Konj. Venus: die "ausübende" Musikerin, die Interpretin. Nichts was auf den ersten Blick auf die Risse im Eheleben hinweist wie sie sich dann einstellten. (Hatte Clara Schumann - Jungfrau/siehe Regent Merkur - ein Verhältnis mit dem jungen Brahms? ). Am Ende versenkte Schumann seinen Ehering im Rhein. Nichts Genaues weiß man bis heute nicht - und wird's wohl auch nie erfahren. Grüße, Klaus
"An der Platte kratzen" - erbitte Übersetzung. Da ist eine gegenseitige Rezeption von VII und IX gegeben. Hast du das im Visier? - Die Ehefrau auf Tour(nee)? Grüße, Klaus
Hmm, ... der gute hat auch Lilith im Haus der Musik, nicht nur Venus und den stationären - also sehr kräftigen - Merkur. Gemäß Venus in 7 kann also die Frau / können Frauen / Leute mit starker und oder verletzter Venus mit denen er zu tun hat selbst musikalisch sein. Antikerweise (objektiv?) hätte der Native also nonstop Verkörperungen von Merkur / Venus / Lilith um sich 'rum gehabt; der totale kommunikative Overkill, Gequassel bis der Arzt kommt und musikalische Dauerbeschallung bis zum Tinitus! Neuzeitlicherweise (subjektiv?), naja, jetzt kommt mir der Verdacht, diese neuzeitlich-subjektive Betrachtung könnte das ganze abgemildert darstellen. In dem Horoskop nehme ich überwiegend Wasser und Erde wahr, steht im Widerstreit zu Merkur und Lilith.
Übrigens befindet sich Lilith (Partnerschaften Beziehungen) in Konjunktion mit Pholus, da ist angesagt, aufzupassen, mit wem oder was der Native sich 'alliiert'. Als Klient bekäme er von mir den eindringlichen Rat, in wie auch immer gearteten zwischenmenschlichen Beziehungen nicht übermäßig vertrauensselig zu sein, Lilith-Pholus im Quadrat zu Nessus. Wenn er seinen Ehering im Fluß versenkt hat, ist diese Konstellation die wunderbar passende bildliche Entsprechung dafür.
Platte=Glatze. Meine Fragestellung war, warum die Ehe poblematisch gewesen sein könnte. Herrscher von 7 in Jungfrau in 8. Finde ich nicht so gut. Und klar, die Frau auf Tournee. Sepp
Hallo zusammen, @ Jan Martin, bin mit den Asteroiden/Kleinplaneten nicht allzu vertraut - muss das im Moment so stehen lasssen. >Sepp, du wirst dich entsinnen, da mit dem indischen System vertraut: Venus in VII gilt da als nachteilig - und zwar für den Partner. Was dann wiederum verweist auf die eingangs beschriebenen Sichtweisen der Hellenistischen Astrologie. Grüße, Klaus
Klaus, müsste man nicht, wenn man konsequent hellenistisch deutet, erst mal Ganzzeichenhäuser nehmen und die Transaturnier weglassen? Also zurück zu Keplers Zeiten. Dann könnte man sich, in indischer Manier mal ein einzelnes Haus, wie das 7., vornehmen. Sepp
hallo Sepp, zunächst Korrektur in eigener Sache : VE in 7 (Partnerin) oder JU (Partner) ist aus indischer Perspektive generell die schwierige oder gescheiterte Ehe, steht also nicht primär für den Partner. - Die GZH nehme ich grundsätzlich immer als, wie ich es nenne, Matrix. Parallelbeispiel I Ging. Der "Frühe Himmel" (=die "vorweltliche", vorsaisonale Ordnung) scheint durch die Ordnung der saisonalen Sequenz ("Später Himmel") hindurch - ist da die Grundmatrix. Was die Transsaturnier angeht sehe ich mit Blick aufs Thema nicht unbedingt die Notwendigkeit sie auszublenden. Da müsste ein weiteres Beispiel her. Grüße, Klaus
Manchmal ist weniger vieleicht auch mehr. Bei Schuhmann bei GZH. Venus aus 10 und 5 in 7. Hat schon mit der eigenen Kreativität zu tun, verkörpert sich aber auch in der Ehefrau. Und Mond als Herr von 7 in der Jungfrau: Sind das Erwartungen mütterlich versorgt zu werden. Die Konflikte scheinen so ähnlich gewesen zu sein. Sepp
Sepp, Zustimmung. Aber noch einmal grundsätzlich angedacht - exemplarisch: Haus drei- Geschwister. Und etliches mehr- ich muss das ja gar nicht erst aufzählen - die Palette ist da recht bunt. Was erzähle ich jemandem, der VE/ NE in Haus drei hat (du hast die Transsaturnier angesprochen...): dass seine Geschwister/seinBruder/ einer der Geschwister ein fragwürdiges Liebesleben führen könnte? Nun sagt der "aufgeklärte" Astrologe natürlich seufzenderweise, das sei selbstredend nicht in so naiver Weise zu sehen, das sei abstrakter zu begreifen: "diffuse Situation im persönlichen Umkreis des Nativen..." - oder so ähnlich. - Das eine wie das andere ist natürlich ebenso unzureichend wie es unbefriedigend ist. Denn: wer oder was sagt mir, welche der Ebenen angesprochen ist - die "abstrakte" oder die "konkrete"? - Nun, ich hatte die Tage ein Horoskop mit der genannten Konstellation vor Augen - und da war dann der "konkrete Fall" der "unmoralischen Schwester" gegeben - wie man früher in sittenstrengeren Zeiten gesagt hätte. Und die Schwester ist ja nicht "unmoralisch" durch funktionale Verbindung mit der Tatsache, dass sie Geschwister hat, ihr Verhalten, ihre Geschicke sind ja real da, unabhängig von der subjektiven Betroffenheit des Horoskopeigners.
Und da, in diesem Dilemma liegt vermutlich auch der Grund, warum die Hellenistische Tradition die Partes eingeführt hat - später dann oft Arabische Punkte genannt, da die Araber (eher doch die Perser?) sie vor dem Vergessen bewahrt haben. Sie erlauben eine größere zielgenauere Spezifizierung im Bereich des "Konkreten" - d.h. sie sollen dies erbringen.
Vielleicht könnte man mal eine Diskussion der "Lots" beginnen - und eben nicht nur den Pars Fortuna.
Klaus,vermutlich ist die Differenz subjektiv-objektiv bei deinem Beispiel noch extremer. Subjektiv wäre: Der Native empfindet sein Umfeld als diffus gegen über der "faktisch" unmoralischen Schwester. In dem Problem hängt die psychologisierende Deutung von Individualhorsokopen, was es ,Gottseidank, mundan nicht so gibt. Da wird man oft gefragt, was man denn therapeutisch tun soll, z.B. bei einer Venus/Neptun in drei. Soll man der Schwester eine runterhauen, (Achtung Ironie) oder in eine Bondinggruppe gehen oder einen Urschrei ausstoßen . Das ist hier die Frage, meint der Sepp. Tendiere zu Variante 1 hilft aber vermutlich auch nix.
Sepp, aus der Erinnerung zitiert: Goethe zu Eckermann (1829) : Alle in Auflösung befindlichen Epochen sind subjektiv, alle fortschreitenden haben objektive Richtung.
("Goethes Gespräche mit Eckermann" - Nietzsche zufolge "das beste deutsche Buch" ). Und wir leben, anders als man gemeinhin glaubt, in einem subjektiv verfangenen Zeitalter.
Zu Schumann (interessant finde ich Deinen Verschreiber "Schmumann" im Radix :) )
Schumanns H7:
Zitat von Klaus im Beitrag #6 ... Nichts was auf den ersten Blick auf die Risse im Eheleben hinweist wie sie sich dann einstellten.... Grüße, Klaus
In der Rhythmenlehre wird Merkur/Venus als die Entsprechung der unteren Reihe zu Saturn/Uranus bestimmt. Im ungünstigsten Fall setzt sich der Saturn(eine bestehende formale Regelung, Moral) als Ursprung (d.h. sie wird handlungszeugend über die Vorstellung (Pluto; Vor-stellung ist immer vergangenheitsbezogen) und verhindert die Wandlung, d.h. das Aufbrechen der Unvereinbarkeit. der Jupiter darf dann das Unvereinbare zusammekitten. Letzlich: Der Stau.
Saturn/Uranus ist auch der Schuß, der Sprung in der Schüssel oder das Geschraubte, das Sich Winden um eine Achse und nicht loskommen können. Alles wörtlich und im bildlichen Sinne.
Damit ist, aus Sicht der MRL, schon ein deutlicher Hinweis auf eine Beziehungs"problematik" vorhanden.
Ringe (Pluto) sind die Erscheinungen von Bindung an etwas außersubjektives und werden da gerne verwendet. "Einen Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden" (Herr der Ringe)
Wenn Schumann den ins Wasser wirft ... zurück ins Unbewußte damit?